Mit der Trägerrakete durch den Urwald
Mercedes-Benz, Magazin Transport
Text: Gleice Mere
Das Unternehmen Mil Madeireira ist ein Pionier der ökologischen Holzgewinnung im Amazonas-Gebiet. Der Transport der Stämme erfolgt unter zum Teil widrigsten Bedingungen. Als ideale Lkw-Lösung hat sich dabei der Axor erwiesen
Fünf Uhr in der Frühe. Alles ist feucht vom Tau. Grillen singen, Frösche quaken, und der Duft der nassen Erde steigt auf. Wir stehen mitten im brasilianischen Regenwald, 260 Kilometer von Manaus entfernt. Die Sonne beginnt, zu den Baumwipfeln emporzuklettern. Lautes Vogelzwitschern hebt an und weckt allmählich den Wald. Und dann dringt ein Geräusch ganz anderer Art durchs Dickicht – es stammt von einem Axor 3340.Am Steuer sitzt Raimundo Nonato Soares de Macedo. Der 39-Jährige ist der Vertrauensmann von João Cruz, dem Forstleiter des Unternehmens Mil Madeireira Itacoatiara, das hier 435.000 Hektar Regenwald besitzt und davon schon 120.000 Hektar nachhaltig und ökologisch bewirtschaftet hat. Die Muttergesellschaft Precious Woods hat ihren Sitz in der Schweiz. „Als ich bei Mil Madeireira bald nach der Übernahme durch Precious Woods 1994 anfing, ging für mich ein Traum in Erfüllung“, sagt João Cruz. „Damals gab es keinen einzigen umweltfreundlichen Forstbetrieb im Land. Obwohl ich schon seid 14 Jahren mit unberührten Wälder arbeitete hatte ich nie zuvor die Möglichkeit gehabt mit ökologische Holzgewinnung zu arbeiten.“, so der 46-jährige Absolvent der ersten Forsttechnikerschule Brasiliens (Iratí – Paraná).
Raimundo drückt jetzt auf die Tube. Seit er 19 ist, fährt er Lkw. Aber so ein Fahrzeug hat er bis vor knapp einem Jahr, als sein Arbeitgeber mit dem Axor seinen ersten Mercedes-Benz anschaffte, noch nie gesteuert.
„Wir nennen den Axor auch ‚Foguetão’“, lacht Raimundo. Das bedeutet „Trägerrakete“ – und er demonstriert sogleich, was dahinter steckt.
Raimundo tritt aufs Gas und bringt den unbeladenen Axor spielend auf 120 Stundenkilometer, und das auf einer Piste, die mehr Schneise durch den Wald als richtige Straße ist. Erstaunlich, was dieser Motor zusätzlich leistet, wenn er nicht ab Werk auf eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit eingestellt wurde, findet Raimundo.
Mit Ladung muss er die Maschine natürlich etwas zügeln. Schließlich hat die es in sich: 45 bis 60 Kubikmeter Holz. Gewicht: bis zu 60 Tonnen. „Im Gefälle macht sich das so stark bemerkbar, dass man denkt, man hätte plötzlich noch mehr Motorleistung“, erzählt Raimundo munter, während er einen seiner Kollegen überholt. „Dank der Stoßdämpfer und des Stabilisators habe ich hohe Fahrsicherheit in jeder Situation. Mein Chef ist sehr anspruchsvoll, was Sicherheit anbelangt, und mag es nicht, wenn die Jungs bei einem instabilen Fahrzeug zuviel Gas geben.“
Über Funk koordiniert Raimundo seine Kollegen, die wie er auf dem Weg zu dem Platz sind, wo die Stämme geladen werden. 57 Kilometer sind es von der Firmenzentrale dorthin. Um das ökologische Gleichgewicht möglichst wenig zu stören, wurde nur eine Hauptstraße durch den Wald geschlagen. Obwohl Raimundo Morgens als letzter los fährt, ist er immer vor allen anderen da. „Dieser Lkw mit dem Stern ist ein Komet, der immer als erster ankommt“, drückt es Raimundo poetisch aus. Dabei legt er an einem Zwölf-Stunden-Tag gerne mal 800 Kilometer zurück. Nahezu Asphaltfrei.
Die Flotte der Mil Madeireira besteht aus acht firmeneigenen Fahrzeugen und vier Lkw, die selbständigen Fahrern gehören. Der Axor 3340 ist das neue Flaggschiff.
„Die Motorleistung, der Allradantrieb und vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis haben uns überzeugt“, sagt João Cruz. „Wir wollen unseren Fuhrpark jetzt Stück für Stück auf Axor umstellen.“
Acht Monate im Jahr wird bei dem Forstbetrieb gearbeitet. In der Regenzeit ruhen Sägen und Trucks, weil dann die Straßen durch den Wald gänzlich unbefahrbar werden. Schon in der „Trockenzeit“ sind sie oft extrem schlammig, die Luftfeuchtigkeit ist hoch, das Thermometer klettert auf bis zu 38 Grad – härteste Bedingungen für Mensch und Maschine! Der Fahrbahnuntergrund mancher Nebenpisten klebt an den Rädern wie Kaugummi. „Dieses Phänomen nennen wir ‚borrachudo’“, erklärt Raimundo. Das heißt soviel wie „gummiartig“.
In der Kabine hat er es sich dagegen so bequem wie möglich gemacht: Überall ist roter Plüsch drappiert. Während die Waldarbeiter schwitzen, genießen die Fahrer von Mil Madeireira die Klimaanlagen ihrer Trucks. Und hören ihre Lieblingsmusik über MP3-Player.
Raimundo lenkt seinen Axor in einen der Seitenwege. Kurve um Kurve geht es in den immer dichter werdenden Urwald hinein. Die Bäume sind bis zu 25 Meter hoch. Den Himmel sieht man kaum mehr. Kleine Tiere huschen durchs Geäst. Die Luft riecht nach Holz. Dann geht es plötzlich kräftig bergab, aber Raimundo bleibt entspannt:
„Der Axor ist enorm robust, und mit dem Allradantrieb kann ich so einen schlammigen Hang im vierten oder fünften Gang nehmen, auch bei maximaler Ladung. Die anderen Lkw kommen da nur im dritten Gang hoch.“
Der Ladeplatz ist erreicht, Raimundo beginnt zu rangieren. „Auch das kann der Axor am besten, und er bietet dabei eine hervorragende Sicht“, freut er sich. Nachdem die bis 18 Meter langen Stämme in der Ladevorrichtung platziert sind, muss ein Bagger den eingesunkenen Truck aus dem Matsch bergauf schieben. Plötzlich kracht es, alle laufen zusammen. Das Achsgehäuse der Abschleppstange ist gebrochen. Es hat dem Gewicht des Lkw samt Ladung nicht standgehalten. Der Axor muss wieder entladen werden. Ein mobiler Reparaturservice – untergebracht in einem Container, den die Mechaniker liebevoll „Big Brother“ nennen – macht sich sofort daran, den Schaden zu beheben.
Zeit fürs Mittagessen. Die Arbeiter bekommen ihre Mahlzeit geliefert. Raimundo geht erst den Kollegen bei den Reparaturarbeiten zur Hand, dann isst er selbst zu Mittag. Anschließend verschwindet er im Fahrerhaus, schaltet die Klimaanlage ein und legt sich vor der anstrengenden Rückfahrt noch ein wenig hin.
„Im Gegensatz zum Axor brauche ich mal eine Pause“, sagt er und lacht. „Ich bin ja nicht aus Eisen.“
www.preciouswoods.com
Ökologische Holzwirtschaft in Brasilien
Mil Madeireira Itacoatiara wurde im Jahr 1994 von der Schweizer Unternehmensgruppe Precious Woods übernommen. Zunächst handelte um eine Waldfläche von 80.000 Hektar, von denen der frühere Eigentümer nur 5.000 zur Holzgewinnung genutzt hatte. Die Herausforderung bestand darin, Waldprojekte im Amazonas-Gebiet wirtschaftlich rentabel und gleichzeitig so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Außerdem sollten die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung schonend verbessert werden.
Anfangs halfen deutsche Experten beim Aufbau der Firma im Bereich ökologische Holzgewinnung. Doch schon bald entwickelten die Brasilianer ihre eigenen Arbeitsmethoden – da die Techniken im Regenwald sich wesentlich von den Praktiken in Europa unterscheidet.
1994 nutzte Mil Madeireira das Holz von 16 tropischen Arten. Dank der Zusammenarbeit des Unternehmens mit Universitäten, Nicht-Regierungs-Organisationen und Forschungsinstituten sind heute 60 Arten verarbeitet. Der Holzeinschlag wird in einem so genannten Erntezyklus von 30 Jahren durchgeführt. Der Zyklus kann sich aber auf bis zu 45 Jahre ausdehnen. Während dieser Phase erholt sich der Wald.
Rund fünf Prozent des Primärwaldes wird beim Holzeinschlag zur Bewirtschaftung und Errichtung von Straßen für den Transport abgeholzt. Ein Jahr vor dem Holzeinschlag erfolgt eine Bestandsaufnahme der Bäume, die gefällt werden können. Samenträger zum Beispiel dürfen nicht gefällt werden, ebenso keine Bäume, die an Wasserläufen stehen, 30 Meter von Flüssen und 50 Meter von Quellen entfernt.
Nach 14-jähriger Praxis bei Mil Madeireira haben wissenschaftliche Studien erwiesen, dass der Regenwald nach der Regenerierung mehr Kubikmeter Holz produziert als unberührter Wald. Gründe dafür sind der höhere Lichteinfall und der bessere Zugang zu Nährstoffen für die einzelnen Bäume.
Mil Madeireira besitzt heute eine Fläche von 435.000 Hektar, von denen 120.000 umweltfreundlich bewirtschaftet werden. Der Betrieb produziert jährlich 130.000 Kubikmeter Holz, 17 Kubikmeter pro Hektar. 22 Prozent der Fläche werden nicht angetastet. Nach dem Fällen kommen die Stämme zur Weiterverarbeitung in firmeneigene Sägewerk. Der Abfall wird zur Stromerzeugung für den Forstbetrieb und die 43 Kilometer entfernt liegende Stadt Itacoatiara benutzt. Die Asche dient als Dünger für den Ackerbau in der Region.
Das verarbeitete Holz wird im Hafen von Itacoatiara am Amazonas Richtung Europa verschifft. Der Vertrieb läuft über Holland. Die größten Importeure von zertifiziertem Holz sind Holland, England, Deutschland und Frankreich.
Rund 700 Mitarbeiter erwirtschaften ca.16.890 Millionen Dollar im Jahr. Mil Madeireira unterzieht sich jährlich bis zu sechs Prüfungen durch Umweltorganisationen, unter anderem durch Greenpeace und den WWF. Seit 1997 ist das Unternehmen vom Forest Stewardsphip Council (FSC) zertifiziert. Der FSC definiert weltweit geltende Prinzipien und Kriterien für die Zertifizierung einer ökologischen Waldbewirtschaftung.